Mystery Rotschwanz

„Was hältst du von diesem Rotschwanz?“ Das war der knappe Inhalt eines Mails von Georges Preiswerk, welches ich am letzten Sonntag erhielt. Dazu ein Bild eines von ihm am 10.11. zwischen Riehen und Basel entdeckten Rotschwanzes. Viele Details waren nicht zu sehen, aber eines war sofort klar: ein 0815-Hausrotschwanz ist das nicht!  Die Flanken und auch der Bauch waren beim weibchenfarbigen Vogel orangerot, die Brust ebenfalls rötlich angehaucht, der Rücken wirkte dunkel braungrau.

 

Diese Merkmale, zusammen mit dem späten Datum, weckten natürlich wilde Überlegungen:

- Gartenrotschwänze sollten jetzt eigentlich in Afrika sein!

- Von Rotschwanzhybriden stammen die letzten Nachweise aus Mitteleuropa aus Mitte Oktober!

- November ist der Monat, in dem an den nordeuropäischen Küsten in den letzten Jahren vermehrt östliche Hausrotschwänze (rotbäuchige Unterart phoenicuroides) aufgetaucht sind!

 

Nichts wie los also!  Zusammen mit Dominic Bürgi (und nach einer guten halben Stunde suchen) entdecken wir den Vogel am Sonntag-Nachmittag wieder. Der erste Eindruck ist der eines dunklen Gartenrotschwanz-Weibchens. Das Wetter (Wind, Regen) und das Licht sind allerdings mehr als suboptimal, der Vogel ziemlich scheu. Je nach Licht und Position wirkt der Vogel extrem dunkel. Zu dunkel für einen Gartenrotschwanz? Mit ein paar schlechten Belegaufnahmen in der Kamera fliehen wir etwas später vor einer heranbrausenden Gewitterfront. Zu Hause und mit Hilfe der Fotos am Bildschirm verdichtet sich das Bild eines Gartenrotschwanzes: Der Vogel hat einen deutlichen Augenring, deutlich rotbraune Schirmfederränder, eine orangebeige Unterseite, eine kontrastierende helle Kehle und eine warmbraune Oberseite, zudem scheinen die Abstände zwischen den Handschwingen recht regelmässig zu sein (beim Hausrotschwanz ist der Abstand zwischen der 6. und 7. Handschwinge deutlich am grössten).

 

Je nach Foto wirkt die Brust aber dennoch relativ dunkel und ohne Rottöne, und auch der Rücken wirkt je nach Licht kälter und dunkler. Zudem haben wir den 

Vogel nicht rufen gehört. Um letzte Zweifel zu beseitigen (und um einen Hybriden ausschliessen zu können), kehre ich also am nächsten Mittag wieder zurück. Erneut  brauche ich rund eine halbe Stunde, bis ich den Vogel finde. Der Grund: Er wechselt immer wieder seinen Standort und pendelt zwischen einer Hecke, einer Lindenallee und den verschiedenen Blumenfeldern. Mit den vor Ort anwesenden Hausrotschwänzen interagiert er kaum. Das Licht ist heute sehr viel besser und schnell ist klar, dass es sich wirklich um einen Gartenrotschwanz handelt. Diesmal gelingen auch anständige Fotos, Rufe höre ich (und Samuel Büttler, der kurz noch vorbeikommt) jedoch auch diesmal keine.

 

Vorausgesetzt, der Vogel wird von der SAK angenommen, handelt es sich um einen der spätesten Gartenrotschwänze, die je in der Schweiz beobachtet worden sind: Seit 1992 gibt es erst zwei angenommene November-Dezember-Nachweise:

1. 1995: Breganzona TI, 20.12., Weibchen sterbend gefunden, Foto, Beleg in Privatsammlung, Lugano (A. Cereda).

2. 2009: Ruswil LU, 10.–11.11., Männchen ad. (G. Knüsel).

(http://www.vogelwarte.ch/de/projekte/monitoring/sak/)

Zudem laut ornitho.ch noch zwei aktuelle Beobachtungen: ein Männchen vom 1.11.17 aus dem Tessin (mit eindeutigem Foto) und ein weiterer Vogel vom 10.11.17 in Genf.

 

Wieder einmal hat Georges also eine super Entdeckung gemacht – herzlichen Dank an dieser Stelle dafür und für das Weitermelden!

 

Von Nicolas

 

Bild 1: Das Gartenrotschwanz-Weibchen (links) und ein weibchenfarbiger Hausrotschwanz vom selben Ort (sprich: gleiche Uhrzeit, gleiches Wetter, gleiche Kamera) -> die Färbungsunterschiede sind offensichtlich.

Bild 2: Wer es ganz genau wissen will (und auch einen Hybriden ausschliessen möchte) J

Bild 3: In einem der Blumenfelder...

Bild 4: Je nach Licht schaut der Vogel komplett anders aus! Bekannt ist das „Colour morphing“ bei Zilpzalpen (siehe z. B. hier: http://birdingfrontiers.com/2013/01/01/siberian-chiffchaff-and-common-chiffchaff-part-1/), bei Rotschwänzen ist uns das bisher noch nicht aufgefallen. Wahrscheinlich liegt es aber auch einfach daran, dass wir selten Gartenrotschwänze im Novemberlicht sehen;-)

 

 

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